Unser Kirchentagebuch 56

In welche Richtung geht’s?

Der heutige Tagebucheintrag ist von:
Rolf Müller, Pastoralreferent

Mittwoch, dem 13. Mai 2020

In welche Richtung geht’s? Das ist eine Frage, die ich mir im Moment oft stelle. Kommt eine neue „Corona – Normalität“ zustande oder wird es mit Extremen – völlige Lockerungen der Maßnahmen oder ein neuer Lockdown – weitergehen? Ich sehe, wie verschieden hierzu die Ansichten sind! Eines macht mir dabei große Sorge: Ich merke, dass immer mehr Menschen nicht mehr bereit sind, in ein vernünftiges Gespräch über die Lage und die Maßnahmen zu kommen.

Da machen sich Verschwörungstheorien breit! Da wird von dunklen Mächten gesprochen, die eine neue Weltregierung planen würden, da wird von dem Virus als einer Bio-Waffe gefaselt, die eingesetzt werden soll und viele andere krude Theorien mehr. Oft kommen diese aus dem ultrarechten Lager, sogar manche Kirchenleute beteiligen sich an ihnen.

Das macht mir Angst. Ich weiß: Die Lage ist kompliziert. Über das Corona Virus weiß man noch nicht viel, es wird gerade erst erforscht. So ist es ganz normal, dass es da noch viele Ansichten und Meinungen dazu gibt. Kein Politiker der aktuellen Generation hat sich wohl mit dem Problem einer Pandemie dieses Ausmaßes bisher beschäftigen müssen. Da muss manchmal „auf Sicht“ gefahren werden mit dem Risiko, auch mal einen Fehler zu begehen. Es ist wichtig, auf die Wissenschaftler zu hören, die sich in aktuellen Forschungen transparent mit diesem Virus befassen.

Einfache Lösungen gibt es nicht, ebenso wie einfache Ursachen – aber genau das wollen uns Verschwörungstheoretiker immer wieder sagen. Das ist eine große Versuchung, wer hätte nicht gerne einfache Antworten auf all die komplizierten Fragen?

Ich habe gelesen: Gerade in den Situationen, in denen Menschen sich unsicher, minderwertig  und schwach fühlen, wächst bei ihnen die Sehnsucht nach dem vermeintlich Einfachen, manchmal sogar die Sehnsucht nach einem „starken Mann“, der vorgibt, alles lösen zu können. Vielleicht ist es deswegen gut daran zu denken, was uns als Christen ausmacht: Wir sind von Gott geliebte und angenommene Menschen. Gottes voraussetzungslose Liebe zu jedem von uns ist eine gute Grundlage für echtes Selbstbewusstsein. Dieses Selbstbewusstsein aus der Liebe Gottes heraus macht mich nicht immun gegen Zweifel, Sorgen und Ängste. Aber: Es stärkt mich in dem Bewusstsein, dass ich nicht alleine unterwegs durch diese Tage bin. Es gibt mir die Kraft, zusammen mit anderen und für andere in Liebe geduldig, vernünftig und Schritt für Schritt Wege aus der Krise und zu einer neuen – wenn auch „Corona“ – Normalität zu finden; ohne dabei in die Fallen falscher Theorien und großer Verführer vom rechten Rand zu fallen. Und auf diesem Weg hallt in mir noch das Wort Jesu aus dem Evangelium vom letzten Sonntag nach: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren!“

Eine Bitte:
Nicht alle unsere Gemeindemitglieder haben die Möglichkeit, unser Tagebuch online zu verfolgen. Falls Sie jemanden kennen, der nicht im Internet ist: Drucken Sie den Text aus und bringen sie ihn (vielleicht bei einem Spaziergang?) vorbei.
Vielen Dank!

Ein Gedanke zu „Unser Kirchentagebuch 56

  1. Danke Rolf, du sprichst mir aus dem Herzen und Verstand.
    Wir können uns nur langsam vortasten und abwägen wohin der nächste Schritt gehen kann.
    Das geht langsam. Gerade das müssen wir wieder lernen. Lassen wir uns dabei nicht verwirren bzw. „BEIRREN“

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