Es ist ein Schnee gefallen – Predigt zum Patronatsfest 2020 in St. Hedwig

„Es ist ein Schnee gefallen – und fiel noch vor der Zeit,
man wirft uns mit den Ballen, – manch Weg ist uns verschneit!“

Eine Volksweise, die in einer Münchner Handschrift von 1467 erstmals Erwähnung findet. Sicher ist sie viel älter. Vielleicht reicht sie bis in die Zeit der Heiligen Hedwig, ins 13. Jh. zurück. Uhland und Goethe kannten sie. Und von den 68ern wurde sie als Protestlied ihrer Bewegung wiederentdeckt und gesungen. Dass Wege verschneit sind, ist in unseren Breiten inzwischen ein exotisch-seltenes Erlebnis geworden. Die Erfahrung, die hinter dieser Weise steht, die vordergründig als Naturgedicht erscheint, kennen wir aber nur zu gut. Gerade aktuell machen wir diese Erfahrung! Corona hat uns fest im Griff! Seit Frühjahr erleben wir es immer wieder: wir planen irgendetwas, aber aufgrund des Infektionsgeschehen ist es plötzlich wieder ganz anders. Sitzungen werden abgesagt, Einladungen verschoben. Freiberufler bangen um ihre Existenz, Arbeitnehmer um ihren Arbeitsplatz. Der „synodale Weg“ so verheißungsvoll begonnen, kann nur in Trippelschrittchen vorankommen. Der ökumenische Kirchentag ist auf 30.000 Teilnehmer geschrumpft worden. Von anderen Störmanövern wollen wir erst gar nicht sprechen. Menschen gehen auf Distanz, mache fühlen sich isoliert. Kommt der nächste „lock-down“? Depression greift um sich oder wird verstärkt.

Und dabei ist es nicht nur Corona, was uns zu schaffen macht. Die fortschreitende Umwelt- und Klimakrise. Der brasilianische „Umweltminister“ sagt: Lasst uns die Gunst der Stunde nutzen! Während alle Welt mit Corona beschäftigt ist, wollen wir den Amazonas abholzen.“ Corona versperrt die ohnehin nicht leicht gangbaren Wege zum Klimaschutz zusätzlich. Nationalismus, Populismus und rechte Gewalt auf dem Vormarsch.

Eine neue Eiszeit mit Russland! Erkaltete Freundschaft mit den USA!

Manchmal hilft da eine Rückbesinnung! Von „gefährlichen Erinnerungen hat der unlängst verstorbene Theologe J.B. Metz gesprochen. Erinnerungen, wie wir sie gerade heute pflegen. Die hl. Hedwig war in ihrer Zeit in schwierigem Gelände unterwegs. Nicht nur im wörtlichen Sinne, weil Teile Schlesiens, dessen Herzogin sie war, noch gar nicht urbar gemacht waren und Bildung und Kultur daniederlagen. Auch im übertragenen Sinne! Das Schicksal ihrer Familie und Verwandtschaft. Der Bruder Eckbert von Andechs Bischof von Bamberg, wurde zur Unrecht bezichtigte an der Ermordung Königs Phillips von Schwaben beteiligt gewesen zu sein und das Haus verfiel der Reichsacht. Davon erholte es sich nie wieder und das Haus Wittelsbach, eigentlich für den Mord verantwortlich, stieg in Bayern auf. Ähnlich erging es Hedwigs Mann Heinrich, der zeitweise exkommuniziert war und der früh starb. Die Schwester Gertrud, Königin von Ungarn und Mutter der hl. Elisabeth, wurde ermordet. Die Schwester Agnes wurde als Königin von Frankreich vom Papst nicht anerkannt und verstarb im Exil auf einer Burg bei der Geburt ihres 3. Kindes, gemeinsam mit diesem. Sechs ihrer 7 Kinder sah sie sterben. Am dramatischsten der Tod ihres Sohnes, des hl. Heinrich, der in der Schlacht bei Liegnitz ums Leben kam und dessen Kopf ihr die Mongolen auf einem Spieß vor den Toren von Liegnitz zeigten! Das brennende Breslau!

Ja, von versperrten Wegen, durch einen Schnee, der zur Unzeit fiel, konnte Hedwig wahrlich sprechen, sie, die selbst im Winter barfuß lief.

Und doch hat sie nicht resigniert! Das Leben hatte sie zwar herb gemacht, aber nicht hart. Es hat sie eben nicht erkalten oder versteinern lassen. Darin half ihr ihr unbeirrbarer Glaube, der ihr stets die Kraft gab, auch in ungünstigen Lebenslagen die Dinge voranzubringen: Agrarreformen, Klostergründungen, Einsatz für die Bildung und vieles mehr. Vor allem der entscheidende Einsatz für die Armen, war sie doch von der franziskanischen Frömmigkeit geprägt!

Die Lesung, die wir heute hörten, ist ihr förmlich auf den Leib geschrieben: „Lasst und nicht müde werden, das Gute zu tun; denn, wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist. Deshalb wollen wir, solange wir noch Zeit haben, allen Menschen Gutes tun…“

Wahrlich ein Lebensmotto! Und für uns ein „Mutmach –Text“, so wie Hedwig durch ihr Lebensmotto Menschen in schwierigen Situationen Mut gemacht hat und dies über die Jahrhunderte hinweg bis heute tut. Diese Kirche hier wurde nach ihr genannt, um den Menschen, die nach dem 2. Weltkrieg hierherkamen, die ihre Heimat verloren hatten, Mut zu machen!

Was können wir von ihr lernen? Dass man auch in unwegsamem Gelände einen Weg finden kann! Dass es gilt, unter ungünstigen Bedingungen die Möglichkeiten zu erkennen, sie zu ergreifen und umzusetzen. Sicher im Augenblick ist für uns vieles nervenaufreibend und entmutigend. Immer auf Sicht fahren! Nicht sicher wissen können, ob das was wir uns heute ausdenken, morgen noch funktioniert! Nicht wissen, was nächste Woche, nächsten Monat auf uns zukommt! Sorge um Angehörige und Freunde!

Aber zu resigniert, macht die Sache nicht besser! Wer vor verschneiten Wegen sitzen bleibt, erfriert womöglich, zumindest kommt er nicht vorwärts. Wer die Hoffnung nicht aufgibt, der findet auch im ungünstigen Gelände Wege. Ein kleines Beispiel ist hier unser kleines Chor-Ensemble. Noch am Freitag schien es, nach entsprechenden, wie sich später herausstellte falschen Informationen, dass sie heute nicht auftreten dürfen. Aber sie sind am Ball geblieben. Sie haben nach Möglichkeiten gesucht – und heute stehen sie hier und verleihen unserem Gottesdienst musikalischen Glanz. Großen Dank dafür!

So gibt es viele Möglichkeiten für unser Gemeinde, auch in Zeiten von Corona, auch in Zeiten manch anderer Schwierigkeiten, uns nicht der Ohnmacht zu überlassen.

Über die Bedeutung bzw. den Bedeutungsverlust der Kirche ist in den letzten Wochen und Monaten viel gesprochen und geschrieben worden. Letztlich liegt es aber doch an uns Christen, ob und wie wir uns in die Gesellschaft einbringen. Wie wir uns einmischen! Ob wir die Gelegenheiten, die Möglichkeiten erkennen und ausschöpfen oder ob wir kraftlos und mutlos auf dem Sofa auf bessere Zeiten hoffen.

„Lasst uns nicht müde werden das Gute zu tun!“ Hl. Hedwig bitte für uns! Herr, gib uns Gnade dazu! Amen

Rolf Glaser