Der heutige Tagebucheintrag ist von:
Harald Stuntebeck, Pastoralreferent
Samstag, 28.3.2020
Liebe Leserinnen und Leser,
haben Sie sich etwas vorgenommen, auf das Sie in der Fastenzeit verzichten möchten? In den Aschermittwochsgottesdiensten, die ich mit der Grundschule und dem Gymnasium gehalten habe nannten mir die Schülerinnen / Schüler so einiges, auf was sie oder ihre Eltern verzichten wollten. Die Liste reichte von Süßigkeiten, Fernsehen, Handy, Kaffee, bis hin zu weniger Autofahrten und Eis.
Beim Fasten verzichtet man auf etwas, um etwas wichtigerem Raum zu geben. Wenn man religiös ist, dann ist das eine Zeit für Gott. Mit dem Verzicht zeigt man, was und wer einem wichtig ist. Auch ohne eine religiöse Grundeinstellung macht fasten Sinn. Zum Beispiel tut man seinem Körper etwas Gutes, wenn man eine Zeit lang auf Essen verzichtet und ihn entschlackt.
Ich glaube, dass uns die Corona-Pandemie ungewollt alle zum „Fasten“ gebracht hat. Wir verzichten auf den Kontakt mit unseren Freunden, verzichten auf Einkünfte, die wir sonst vielleicht gehabt hätten,… Und im Mittelpunkt steht die Gesundheit derer, die dem Corona-Virus sonst schutzlos ausgeliefert wären.
Ich erlebe, dass dieses Fasten ganz neue Formen entwickelt, Formen der Solidarität. Da kocht ein Restaurantbesitzer mit den gelagerten Lebensmitteln einmal in der Woche und verschenkt sie an die älteren Nachbarn. Da sprechen Kirchen und Moscheen im Stadtteil darüber, wie man denen am besten helfen kann, die jetzt Hilfe brauchen, beim Einkaufen oder für andere Dinge. Und da spielt die Religionszugehörigkeit keine Rolle. Da sammeln Leute Ideen, was man jetzt zu Hause mit Kindern machen kann und teilen sie in den sozialen Netzwerken. Da gibt es Applaus für Krankenschwestern, Ärzte, Supermarktmitarbeiterinnen, für deren Arbeit, die sie trotz des persönlichen Risikos weiter machen,….
Es ist eine besondere Fastenzeit und wir erleben Formen des Fastens, die uns früher eher unvertraut waren. Und so bekommen die Worte von Frére Roger Schütz, dem Gründer der ökumenischen Brudergemeinschaft von Taizé, eine ganz neue und konkrete Bedeutung. Er schreibt zur Fastenzeit:
„Vierzig Tage, die dem Menschen gegeben sind, um über eine Liebe zu staunen, die alles Begreifbare übersteigt.“
Ich erkenne diese „Liebe“ von der Frére Roger schreibt in den vielen konkreten Hilfen, die Menschen aus Aufmerksamkeit, Liebe und Hilfsbereitschaft in diesen Tagen füreinander tun.
Es gibt so vieles über das ich in diesen Tagen nur staunen kann.
Was für ein Fasten….
Harald Stuntebeck
Eine Bitte:
Nicht alle unsere Gemeindemitglieder haben die Möglichkeit, unser Tagebuch online zu verfolgen. Falls Sie jemanden kennen, der nicht im Internet ist: Drucken Sie den Text aus und bringen sie ihn (vielleicht bei einem Spaziergang?) vorbei.
Vielen Dank!
Lieber Harald, das hast Du sehr schön formuliert. Ich wünsche Dir und deiner Familie alles Gute in diesen Tagen. Herzlich aus Griesheim, Stiofan O Foghlu