Unser Kirchentagebuch 16

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Der heutige Tagebucheintrag ist von:
Verena Nitzling
Gemeindereferentin

Freitag, 3. April 2020

 

die heutigen Gedanken sind mir vor ein paar Tagen bei einem Spaziergang an der Nidda gekommen und ich möchte sie gerne heute mit Ihnen teilen.

Jede und jeder von uns erlebt die letzten Tage und Wochen seit den Ausgangsbeschränkungen während der Corona Pandemie ganz unterschiedlich. Viele von uns bringt diese Situation an die Grenze, z.T. sogar darüber hinaus.

Während die einen ihren Familienalltag neu gestalten lernen müssen, mit Homeoffice, Homeschooling und rundum Betreuung der Kinder,

liegen die Menschen in den Alten- und Pflegeheimen sowie in den Krankenhäusern in ihren Zimmern und dürfen keinen Besuch mehr von ihren Lieben und vertrauten Personen empfangen.

Menschen bangen um ihren Arbeitsplatz, fürchten um ein Bankrott der Firma, haben Angst. Angst um ihr Leben und ihre Gesundheit. Menschen, die einen lieben Menschen durch den Tod verloren haben, müssen in diesen Tagen eine große Spannung des Abschiednehmens aushalten.

Viele Menschen, die an dem Coronavirus erkrankt sind, sind in Quarantäne zuhause oder im Krankenhaus. Gott sei Dank gibt es unser medizinisches Gesundheitssystem und viele Fachkräfte (Menschen), Ärzte, die da sind und ihre Arbeit mit Herz und Verstand tun.

Gott sei Dank sind da auch die vielen hilfsbereiten Menschen, die z.B. einen Einkaufsdienst übernehmen oder Nasen-Mund-Schutz nähen, u.v.m.

Und da sind Menschen, die  sich in diesen Tagen einsam fühlen, isoliert leben, egal ob jung oder alt. Getrennt von der Familie, von Freunden, die Grenzen sind geschlossen. Die persönliche Begegnung ist seit Wochen nicht mehr möglich, der Kontakt wird über das Telefon, per Brief, oder die digitalen Medien gehalten.

Für mich persönlich gilt es derzeit, lebendig zu bleiben – im Hier und Jetzt. LebenD(u)I(ch)G(ott) – im Kontakt mit mir sein, mit meinem Nächsten und mit Gott. Derzeit sind Umarmungen, persönliche Begegnungen nicht möglich – stattdessen habe ich Zeit für mich. Zeit, um mit mir in Kontakt zu treten, mein Leben zu reflektieren und dabei auch den schweren, dunklen Seiten in mir zu begegnen. Und zugleich den Blick auf das Schöne, die blühende Natur, die Hilfsbereitschaft der Menschen untereinander, die wärmenden Sonnenstrahlen nicht zu vergessen. Mich um meinen Nächsten zu sorgen, z.B. Telefonate mit älteren Menschen zu führen, Briefe zu schreiben und meine Beziehung zu Gott im Gebet zu pflegen.

Wie erleben Sie diese Tage und Wochen? Welche Erfahrungen sammeln sie?

Ist es für Sie geschenkte Zeit, eine Herausforderung, Besinnung auf das Wesentliche oder eine Zumutung?

Für viele Menschen ist diese Zeit eine Zumutung. Doch in diesem Wort Zumutung steckt das Wort Mut. Mut, dieses Leid, diesen Schmerz auszuhalten und anzunehmen. Mut sich auf den Weg zu machen und zu lernen, es anzunehmen. Dies fällt uns (mir auch) oft nicht gar nicht so leicht.

Im Vater unser, dem Gebet, das Jesus uns selbst zu beten gelehrt hat, beten wir so oft: Nicht mein Wille geschehe, sondern dein Wille. Stecken wir jedoch in einer Situation von Tränen und Leid – bekommt diese Bitte eine neue Dimension. Hier wird für mich dann noch einmal deutlich, was diese Zumutung meint – den Mut es anzunehmen und auszuhalten.

Wir starten am Sonntag in die Karwoche. Jesus weiß um seine Situation, er sieht dem Tod entgegen und nimmt ihn an. Jesus, der in Wort und Tat die Liebe Gottes verkündete, weiß sich auch in dieser Grenzerfahrung von Gott getragen.

Gott ist es – der bleibt in allem Schmerz. Er ist uns nahe in der Trauer, im Leid und in aller Sorge. Er trägt mit, er hält es mit uns aus. Auch wenn wir ihn nicht immer spüren – er ist da und hält uns geborgen in seiner schützenden Hand. Diese Erfahrung hat Jesus in der dunkelsten Stunde seines Lebens gemacht und uns damit Mut gemacht.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Karwoche.

Bleiben Sie gesund. Herzliche Grüße

Ihre Verena Nitzling

 

 

Eine Bitte:

Nicht alle unsere Gemeindemitglieder haben die Möglichkeit, unser Tagebuch online zu verfolgen. Falls Sie jemanden kennen, der nicht im Internet ist: Drucken Sie den Text aus und bringen sie ihn (vielleicht bei einem Spaziergang?) vorbei.

Vielen Dank!

 

 

4 Gedanken zu „Unser Kirchentagebuch 16

  1. Liebe Verena, du hast in Worte sehr schön verfasst, was viele von uns denken, füllen, durchmachen. Vielen, vielen Dank. Ich danke Gott, dass es Euch gibt, die Kirchentagebuch schreiben und an uns denken. Es gibt Mut und ist sehr große Unterstützung in dieser Zeit.

  2. Liebe Barbara,
    danke für Deine Zeilen.
    Ja, es sind die kleinen Momente und Zeichen, die uns in diesen Tagen Kraft und Halt schenken.
    Schön, dass die Kirchentagebucheinträge für Dich und vermutlich für viele andere Menschen ein Zeichen der Hoffnung, des Mutes und der Zuversicht sind.
    Bleib gesund und von Gott behütet. Liebe Grüße Verena

  3. Liebe Verena,

    wie ich diese Zeit erlebe? Ich versuche, den Blick immer wieder auf das Positive zu richten, um die Schrecken der Nachrichten und die eigenen Ängste besser verarbeiten zu können.

    Da ist einmal die Stille in der Natur, die ich sehr genieße, – zumal ich in den letzten Jahren zunehmend unter dem ständigen Auto- und Flugzeuglärm gelitten habe. Jetzt höre ich wieder die Vögel und den Wind. Und sehe die kleinen täglichen Wunder der erwachenden Natur.

    Auch Erledigungen wie das Einkaufen oder Bankbesuche sind für mich jetzt viel entspannter. Die meisten Menschen sind sehr rücksichtsvoll, es gibt kein Gedrängel, keine Meckerei, sondern öfter mal ein Lächeln oder ein nettes Wort.

    Ich bin mit vielen Menschen auf andere Weise verbunden, per Telefon, beim Gespräch über den Gartenzaun, per E-Mail, online in den sozialen Netzwerken oder z.B. durch das Kirchentagebuch. Alte Bekannte, mit denen ich schon lange keinen Kontakt mehr hatte, melden sich wieder. Ich freue mich darüber, auch wenn der Anlass nicht gerade schön ist.

    So wird die Zu-mutung für mich eben auch ermutigend. Und sie macht mich dankbar für das Gute, das ich erleben darf.

    Danke, dass Ihr uns täglich diese Denkanstöße gebt!

    Barbara

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