2. Fastenpredigt 2019
in St. Hedwig

Am Samstag, dem 23. März 2019 hielt Pater Ansgar Wucherpfennig von der theologischen Hochschule in St. Georgen unsere 2. Fastenpredigt in St. Hedwig. Die bis auf den letzten Platz besetzte Kirche bot ein aufmerksames Publikum.

Hier ein kleiner Hinweis: zuvor hatten Frauen der Gemeinde ihren alljährlichen Einkehrtag der Frauen, in dem es um starke und mutige Frauen von der Bibel bis zur Gegenwart ging.

Zunächst einmal begrüßte jedoch Frau A. Polten Pater Ansgar Wucherpfennig und ging dabei auch auf dessen zur Berühmtheit gelangten jüngeren Geschichte ein -> Verweigerung des nihil obstat seitens des Vatikans.

Thema der diesjährigen Fastenpredigten sind die Kardinaltugenden: Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß und Klugheit. Unsere heutige Predigt befasste sich mit der Tapferkeit.

Als Einstieg wählte er ein Wort Luthers, das kurz beschrieben so lautet: Hier steh‘ ich, ich kann nicht anders. Bei allen möglichen Konsequenzen steht für Luther das Gewissen an erster Stelle. Dann ging er kurz auf die Ereignisse des letzten Jahres ein und fragte sich, ob das schon Tapferkeit  oder ob man vielleicht zu zurückhaltend gewesen war. Wichtig in dieser Zeit waren Freunde, mit denen er sich austauschen konnte und so eine eigene Entscheidung herbeiführen konnte.

Besonders geholfen habe ihm in dieser Zeit aber auch die Unterstützung seitens der Stadtkirche und des Bistums. Ohne diese Unterstützung wäre die Causa Wucherpfennig evtl. anders ausgegangen. Dankbarkeit umschreibe das Gefühl nur zu einem gewissen Teil. So fühle er auch keine Verbitterung, aber der Blick auf das, was Kirche heute bedeutet habe sich geändert. Noch mal auf Luthers Aussage bezogen, kamen Begriffe wie wetterwendisch, friedfertig und Machtwort ins Spiel. Wer tapfer ist, ist nicht wetterwendisch, aber friedfertig und muss gelegentlich auch ein Machtwort sprechen. Glaube habe bei Luther immer mit Existenz und Erfahrung zu tun und das begründe seine Tapferkeit, denn Verletzungen blieben dabei nicht aus, so Pater Ansgar Wucherpfennig.

Es folgte ein kurzer Ausflug in die Welt der griechischen Philosophie: Tapferkeit auf griechisch lautet andreia , wörtlich übersetzt Mannhaftigkeit. Platon hatte die Tapferkeit mit den 3 Seelenkräften des Menschen:

  • logos (Vernunft)               -> Weisheit ausprägen
  • Thymos (Mut)                   -> Tapferkeit erlangen
  • Epithymia (Begierde)    -> in Besonnenheit entfalten

Die Gerechtigkeit ist die Tugend, die für eine harmonische Ordnung sorgt. Gerechtigkeit ist also die Kraft, die Weisheit, Tapferkeit und Besonnenheit alltagstauglich macht.

Tapferkeit kommt in der Bibel eher selten vor, im Neuen Testament überhaupt nicht. Im Alten Testament kann man die Tapferkeit am deutlichsten an den biblischen Frauen sehen. So z.B. Sarah, die Frau von Abraham, die wegweisend an seiner Seite steht, oder Hagar und Rut. Allen drei Frauen ist gemein, dass Tapferkeit mit Verwundbarkeit und Verletzbarkeit verbunden ist. Mut, weil sie trotz aller Verletzungen ihr Ziel nicht aus dem Auge verlieren.

Eine Frau, die für Ansgar Wucherpfennig eine besondere Bedeutung erfahren hatte, ist die kanaanäische Frau, die zunächst von den Jüngern und auch von Jesus zurückgewiesen wurde, aber beharrlich blieb. Zurückweisungen, die Frauen auch heute noch in der Kirche erfahren, nennt Pater Wucherpfennig geistlichen und spirituellen  Missbrauch, nämlich Gott auf seiner Seite zu wissen und jede Störung als fremd und lästig zu empfinden.

Doris Wagner hat darüber ein Buch geschrieben, in dem sie drei Formen des geistlichen und spiritiuellen Missbrauchs ausmacht:

  • spirituelle Vernachlässigung
  • spirituelle Manipulation
  • geistliche Gewalt, die sexueller Gewalt vorausgeht

Als Beispiel für geistliche Vernachlässigung führte er die Geschicht von Hanna an, die ihr Baby in der 8 Schwangerschaftswoche verlor und dieses beerdigen lassen wollte. Die daraufhin angesprochene Pastoralmitarbeiterin wies dies mit dem Hinweis, es handele sich ja noch garnicht um ein Kind, brüsk zurück; da könne man ja auch Katzen und Hunde beerdigen. Als andere Beispiele nannte er, dass Kinder zur Beichte gezwungen und dann nicht zur Erstkommunion zugelassen werden.

Die kanaanäische Frau lies sich von der Zurückweisung nicht beeindrucken, sodass Jesus ihr einen großen Glauben attestierte. Mit der kanaanäischen Frau relativierte er das Zitat von Luther und stellte fest, dass wenn er sich darauf berufen hätte, er nicht weitergekommen wäre. Mit Hier stehe ich, ich kann nicht anders, gestehe man sich ein, dass man in eine Sackgasse geraten ist, da helfe dann nur Besonnenheit und Vernunft; Weisheit und einen neuen Weg zu suchen. Tapferkeit sucht dann nach der Lücke, nach einem Aussweg aus der Situation; damit es eine Zukunft für alle Beteiligte gibt. Ein anderes Zitat von Luther sei ihm deshalb wichtiger geworden: Lasst die Geister aufeinanderplatzen, die Fäuste aber haltet still. Die Konflikte suchen, aber keine Gewalt, das biete Möglichkeiten für eine Lösung.

Am Ende des sich daran anschließenden Gottesdienstes überreichte Pfarrer Rolf Glaser ein Weinpräsent als Dank für seine Predigt an Pater Ansgar Wucherpfennig.