Ungewissheit – Verunsicherung
Der heutige Tagebucheintrag ist von:
Monika Stanossek
Pastoralreferentin / Pfarrbeauftragte
Dienstag, 9. Juni 2020
Ungewissheit – Verunsicherung
Worte, die zur Zeit häufig genannt werden, da sie die Befindlichkeit vieler Menschen ausdrücken. Was kann man glauben, wie soll man handeln – angesichts der Situation und der vielen, auch sehr konträren Informationen! Lockerung versus strikten Vorsichtsmaßnahmen, Kontaktpflege, auch leibhaftig versus Isolierung, gemeinsame Feiern, auch z.B. Gottesdienste versus digitale oder andere mediale Wege, etc. Was ist der jeweils bessere, richtige Weg? Für fast alle Alternativen gibt es auch wissenschaftliche Belege durch Untersuchungen. Es ist wichtig, auf seriöse Wissenschaftler zu hören, aber auch diese haben nicht die Wahrheit, sondern versuchen durch Untersuchungen und Tests Fragen zu klären und zu Teil-Antworten zu kommen. Kritisch bleiben, ist ein Weg, vor allem bei Erkenntnissen, die vermeintliche Gewissheiten enthalten! Es sind ja zur Zeit einige abstruse Dinge in Öffentlichkeit und manchen Medien!
Die Fragen von oben, was sollen wir glauben, was können wir tun?, sind Fragen, die schon Immanuel Kant gestellt hat, offensichtlich waren ihm und den Menschen seiner Zeit Ungewissheit und das Gefühl von Verunsicherung sehr bekannt. Seine Antwort war: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Diese Antwort bleibt gültig und sinnvoll auch für uns heute – durchaus im Bewusstsein, dass unsere Möglichkeiten der Erkenntnis beschränkt sind. Das macht uns bescheiden und vermeidet ein Bewusstsein, die „Wahrheit“ erkannt zu haben, ermutigt aber, immer wieder hinzuschauen, einen Standpunkt zu gewinnen, aber auch Meinungen zu verändern.
Auf einen weiteren Weg in Ungewissheit und Verunsicherung weist die Dichterin Hilde Domin hin in ihrem Satz „Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug“. Risiko und Vertrauen, beides braucht es im Leben. Etwas riskieren, -durchaus nach Überlegungen und nicht kopflos und überstürzt, – im Vertrauen darauf, dass wir gehalten sind, dass wir nicht fallen, dass „die Luft“ trägt.
In vielen Psalmen leuchtet dieses Vertrauen des betenden Volkes auf, Vertrauen, das aus Erfahrung des rettenden Gottes gewachsen ist. In solches Vertrauen hinein zu wachsen, in aller Ungewissheit und Verunsicherung, das könnte ein Weg für uns sein:
Du bist mein Schutz, du bewahrst mich vor Not
und rettest mich und hüllst mich in Jubel.
Ich unterweise dich und zeige dir den Weg, den du gehen sollst.
Ich will dir raten, über dir wacht mein Auge.
Psalm 32, 7 u. 8
Eine Bitte:
Nicht alle unsere Gemeindemitglieder haben die Möglichkeit, unser Tagebuch online zu verfolgen. Falls Sie jemanden kennen, der nicht im Internet ist: Drucken Sie den Text aus und bringen sie ihn (vielleicht bei einem Spaziergang?) vorbei.
Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Stanossek,
Sie brauchen vielen Worte u. erwähnen u.a. den Philosophen Kant, um am Ende dann doch „Gott“ nicht (ganz) zu vergessen. Aber wo waren „Glaube“ und Mut der Kirche(n), als die Politik beschloss, Ostern als christliches Fest ausfallen zu lassen? Oder in den digitalen Raum zu verbannen. Das ist wohl unsere Zukunft: ein Dasein als digitaler Sklave, der sich zu „Gottesdiensten“ tel. anmelden muss. Vielen Dank für diesen exemplarischen „Glaubensmut“. – „Freedom over fear“ stand auf vielen Plakaten amerik. Demonstranten für ein Ende des Lock-down. Ja, genau: Gott will uns in Freiheit … Auf eine (wieder mal) staatshörige Kirche kann und werde ich verzichten.
Sehr geehrter Herr Kind,
ohne Frau Stanossek vorgreifen zu wollen, möchte ich doch ein paar Anmerkungen zu Ihrem Kommentar machen:
Ich glaube, dass Gott uns den Verstand gegeben hat, um Wege in der Coronakrise zu erkennen und zu begehen. Will heißen: der Schutz vor einer explosionsartigen Ausbreitung des Virus mit vielen Toten hat sicher Vorrang vor einem ausgefallenen Ostergottesdienst. Im Rahmen des Möglichen haben unsere Kirchen einen durchaus gangbaren Weg gezeigt (Unsre Kirchentagebücher, übertragene Gottesdienste, etc.), mit dieser Krise verantwortungsvoll umzugehen. Dass dies nicht allen Bedürfnissen Gerecht werden kann ist dabei sicher das kleinere Übel. Wie sich „Freedom over fear“ in Amerika ausgewirkt hat, bestätigt, dass alle Verantwortlichen in Deutschland verantwortungsvoll gehandelt haben. Unseren Gott dürfen wir zu jeder Zeit – unabhängig von äußeren Gegebenheit – anrufen. Er wird uns immer helfen, davon dürfen wir überzeugt sein. Ich glaube nicht, dass unsere Kirche staatshörig ist, nur weil sie nach Abwägung aller Punkte zu den jetzt bestehenden Einschränkungen gekommen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz-Jürgen Herbert