Unser Kirchentagebuch 53

75 Jahre Frieden

 

Der heutige Tagebucheintrag ist von:
Stefan Hofer, Pastoralreferent

Sonntag, 10. Mai 2020

 

75 Jahre Frieden

In diesen Tagen ist der zweite Weltkrieg 75 Jahre zu Ende, 75 Jahre Frieden bei uns, eine lange Periode. Es gibt einen großen Unterschied zu der Zeit davor: Krieg ist kein Mittel der Wahl mehr für uns; politisch setzen wir auf Gespräche. Denn viele von uns in Deutschland haben gelernt, dass es im Krieg ganz viele Verlierer gibt. Auch die offizielle katholische Kirche hat dazugelernt. Während sie früher die These vom „gerechten“ Krieg vertrat, sagte Papst Franziskus 2017, dass nur der Frieden gerecht sei. Und Jesus hat schon vor 2000 Jahren in der Bergpredigt die Gewaltlosigkeit für sich und seine Jüngerinnen und Jünger proklamiert.

In den letzten Kriegen, die Deutschland betraf, wurden wir  mit einem fragwürdigen Nationenbegriff aufgefordert, auch Glaubensgeschwister zu töten. Gerade hinter der Kirche St. Gallus können wir das noch nachverfolgen. In den Adlerwerken gab es ein Zwangsarbeiterlager mit Franzosen und ein Außenlager eines Konzentrationslagers (ich würde eher sagen: Vernichtungslager) mit vielen Polen und Ukrainern (weit über 1000 Menschen). Der Platz hinter der Kirche heißt Golub-Lebedenko-Platz: „Am 14. März 1945, wenige Tage vor Kriegsende (in Frankfurt), flohen der 19jährige Adam Golub und der 21jährige Georgij Lebedenko aus dem KZ Adlerwerke. Sie versuchten, sich im Gallusviertel zu verstecken. Die SS-Wachmannschaften begannen sofort mit der Suche, an der sich die halbe Nachbarschaft beteiligte. Beide wurden von der SS auf offener Straße vor den Häusern an der Ecke Lahnstraße /Kriegkstraße erschossen.“ (www.kz-adlerwerke.de) Ob sich auch Mitglieder der Pfarrei St. Gallus daran beteiligt haben, ist nicht bekannt. Albert Perabo war der damalige Pfarrer von St. Gallus. Er soll damals Zwangsarbeitern im Turm von St. Gallus die Möglichkeit geboten haben, sich zu treffen. Gerade untersuchen Thomas Schmidt, Jean-Francois Ameloot und ich die damaligen Quellen, was an diesen Gerüchten dran sein könnte, denn es gibt keine Zeitgenossen mehr, die das bezeugen könnten und wenn es so war, dann musste es auch geheim gehalten werden. Denn, dies war damals strengstens verboten! Diese Kontakte und auch Kontakte zu den französischen Arbeiterpriestern, die damals incognito bei den Zwangsarbeitern mitgearbeitet hatten, auch um ihre Landsleute zu unterstützen, waren lebensgefährlich, und endeten oft mit Verhaftung, Folter und Tod.

Was bleibt? Entsetzen darüber, dass bei uns eine Diktatur möglich war, die Millionen Menschen systematisch verfolgt und ermordet und sich daran bereichert hat. Eine Diktatur, in der die Machthaber einen Krieg angezettelt hatten, in dem sie für alle beteiligten Länder nur Leid und Tod brachten und in dem sie sich letztlich aus der Verantwortung gestohlen haben.

Ich hoffe, dass wir von dem Mut und dem Glauben lernen können der Menschen in dieser Zeit, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um andere Menschen zu retten, und damit Zeugen des gefolterten und ermordeten Jesus sind. Leider kennen wir viele dieser Menschen nicht mehr, da sie selber ermordet worden sind. Aber letztendlich wurde diese Diktatur durch die Alliierten überwunden, was durch „inneren“ Widerstand, den es nur vereinzelt gab, nicht gelang. Dieser Tag der Überwindung der Diktatur, ermöglichte uns einen Neuanfang. Dass sich so eine menschenvernichtende Diktatur nicht wiederholt, ist unsere Aufgabe, und daran erinnert der Golub-Lebedenko-Platz!

Bitte,
denken sie auch an die Menschen in ihrer Umgebung, die nicht über einen Internetzugang verfügen und drucken sie das Kirchentagebuch aus und werfen es ihren Nachbarn, Freunden und Bekannte bei einem kleinen Spaziergang in den Briefkasten!
Vielen Dank

Ein Gedanke zu „Unser Kirchentagebuch 53

Kommentare sind geschlossen.