Am Sonntag, dem 15. September 2019 um 14:00 Uhr wird Pater Richard Henkes im Limburger Dom durch Kurienkardinal Kurt Koch selig gesprochen.
Mein Onkel hatte eine Liebe zu den Tschechen”: Mit diesen Worten berichtete Günter Eidt, Richard Henkes Neffe, bei dem 2003 in Limburg eröffneten und 2007 abgeschlossenen Seligsprechungsverfahren von der Zuneigung seines Onkels zum tschechischen Volk.
Richard Henkes war am 15. März 1939 zur Beerdigung seines Vaters ins rheinland-pfälzische Ruppach gekommen — an diesem fatalen Tag für die deutsch-tschechische Geschichte: Gerade an diesem wetterhässlichen, wie Unheil verkündenden 15. März 1939 marschierte die deutsche Wehrmacht — nach der im Oktober 1938 erfolgten Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich — in die „Rest Tschechei ein.
Henkes, der damals schon seit mehreren Jahren im ,,deutschen Osten“ wirk-
te, ließ durchblicken, dass er die Besetzung fiir ein Unrecht halte. Mit seiner
Meinung hielt er — zu seinem Unglück — niemals zurück.
In Ruppach am Niederrhein, am FuB des Westerwalds, wurde Richard Henkes im Jahr 1900 geboren. Sein Vater Peter führte einen Steinmetzbetrieb, die Mutter Anna-Katharina einen Krämerladen und außerdem bewirtschaftete die Familie einen kleinen Bauernhof. So mussten die neun (nach anderen Quellenangaben 13) Kinder kräftig zupacken. Und ein zielbwusster Tatmensch blieb Richard Henkes sein Leben lang.
Zum sonntaglichen Gottesdienst kamen nach Ruppach auch Pallottiner, Angehorige der 1846 von Vincenzo Pallotti in Rom gegründeten ,,Gesellschaft des Katholischen Apostolates“ (dies ist der genaue Name). Einige von ihnen hatten als Missionare in Kamerun gedient, und ihre Erzahlungen vom Leben in dieser deutschen Kolonie in Zentralafrika mussten auf den jungen Richard groBen Eindruck gemacht haben. So beschloss der Zwölfjahrige, von der Volksschule in seinem Geburtsort auf das Pallottiner-Studienheim in Vallendar bei Koblenz überzuwechseln, um Missionar zu werden. Das Kostgeld konnte glücklicherweise in Naturalien bezahlt werden, mit Kartoffeln, Obst und Gemüse vom väterlichen Bauernhof.
Nach dem Abitur trat Richard Henkes 1919 bei den Pallottinern in Limburg ein, wo er im Juni 1925 zum Priester geweiht wurde. Er begann im ordenseigenen Studienheim in Vallendar zu unterrichten: ein begeisterter, begeisternder Lehrer, der sich mit allen Kräften
seinem Beruf und seiner missionarischen Berufung widmete, auch auf Kosten seiner Gesundheit. ,,So wenig ich einem Hund das Bellen verbieten kann, ebenso wenig kann ich dem Pater Henkes Ruhe, Schonung und Einsamkeit gebieten”, beklagte sich ein Arzt über den eigensinnigen Pater. Der sich aber, als eine schwere Lungen-Tuberkulose diagnostiziert wurde, doch zur Behandlung in ein Schwarzwalder Sanatorium begab.
Nach seiner Genesung kehrte er wieder an die niederrheinischen Pallottiner-Schulen zurück. Aber nur für kurze Zeit. Wohl wegen des Briefwechsels mit einer Frau erregte er bei den Ordensoberen Anstoß und wurde nach Schlesien versetzt. Strafversetzt?
Pater Henkes gehorchte, ohne zu protestieren. Vielleicht kam ihm der Wechsel in eine neue Umwelt nicht ungelegen. Er brauchte ständig Abwechslung, war immer auf der Suche nach Neuem. Und das fand er hier ab 1931 im ,,Osten“. Er kam an Pallottiner-Schulen in Ober- und Niederschlesien, ins Exerzitienhaus in Branitz (Branice). Seine Schüler verehrten ihn —
,,Es war einfach Sonne im Hause, wenn er da war“,
erinnerte sich einer von ihnen —, weniger seine Vorgesetzten: Er weile zu viel auswärts, sei immer unterwegs, bemängelte sein Rektor, er sei zwar tüchtig, aber unfromm und bete zu wenig.
Als Henkes wegen seiner kritischen Freimütigkeit von der Kanzel herab — als ,,Hetzpriester“ und ,,Aufwiegler“ abgestempelt — mehrmals von der Gestapo verhört worden war, wurde er vom Orden aus dem Schuldienst genommen.
Doch er hatte einen einflussreichen Mentor: Prälat Joseph Martin Nathan (1867-1947), der Leiter der sudetendeutschen Gebiete des Erzbistums – Ölmiitz, nahm ihn unter seine Fittiche. Er ernannte den politisch gefährdeten Pater 1941 zum Pfarrverwalter in Strandorf (Strahovice) im heute tschechischen Hultschiner Ländchen (Hluéinsko). Richard Henkes
mag sich hier, in diesem deutsch-tschechisch-polnisch-lachisch-sprachigen
Grenzgebiet, wohl gefühlt haben. Er, der ewig Rastlose, fuhr zu Predigten nach
Oberschlesien hinüber, radelte in den Nachbarort Kuchelna (Chuchelna) zum
Tschechischunterricht beim Dorffriseur.
Am 8. April 1943 predigte er wieder einmal in Branitz. Sein Förderer Prälat Nathan hatte in diesem heute polnischen Dorf um die Jahrhundertwende eine fiir damalige Zeiten fortschrittliche Heilanstalt für psychisch Kranke gegründet. Die jetzt im Zuge der nazistischen Euthanasia-Politik zur ,,Tötung lebensunwerten Lebens“ missbraucht wurde. Pater Henkes prangerte das Töten Unschuldiger an. Direkt von der Kanzel in Branitz herab wurde er am 8. April 1943 verhaftet. Nach mehrwöchigem Arrest in Ratibor (Raciborz) gelangte er am 1o. Juli 1943 in Dachau an.
lm Konzentrationslager lernte er, vielleicht bei seiner Arbeit als Kantinenwirt im Zugangsblock 17, Josef Beran (1888-1969) kennen, den späteren Kardinal und Erzbischof von Prag. Mit ihm und mit den fast täglich anrollenden tschechischen Häftlingen sprach er Tschechisch. Nach Ausbruch einer zweiten Typhusepidemie im Lager Dachau ließ Richard Henkes sich, der Ansteckungsgefahr wohl bewusst, im typhusverseuchten Block 17 einschließen. Er infizierte sich und starb am 22. Februar 1945.
Nach dem Krieg hatte er wieder ins deutsch-tschechische Grenzland zurückkehren wollen. Dieser Traum endete in Dachau. Heute gilt Pater Richard Henkes als Apostel der deutsch-tschechischen Versöhnung.
(Text und Bilder wurden der Ausstellung vom 1.9.2018 in Mariä Himmelfahrt entnommen: