Unser Kirchentagebuch 79

Gebt Acht!

Der heutige Tagebucheintrag ist von:
Ralf Albensoeder, Pastoralreferent

Freitag, dem 5. Juni 2020

 

Mal wieder gibst Du das Stichwort, lieber Rolf:

„Es geht also um die Zukunft unserer Gemeinden in unseren Stadtteilen, und das weit über die Tage der Corona – Krise hinaus“, schriebst Du gestern, als wir zusammen auf dem Changekurs waren, der Fortbildungsreihe des Bistums, ein wichtiger Baustein, der die Kirche in Limburg zukunftsfähig machen will – Das Stichwort dafür ist „Kirchentwicklung“ und die notwendigen Veränderung („Change“) dafür.

Eine Aufgabe war, das eigene Zielbild unserer Kirche zu beschreiben, in Kollage, mit Legosteinen oder Geschichten. Ich nahm die Geschichte von Anthony de Mello wieder auf, die ich im Tagebuch am 25. Mai erzählt habe.

Und so habe ich die Geschichte vom ACHT GEBEN anders erzählt:

Gebt Acht!

Der Priester gab bekannt, dass Jesus Christus selbst am nächsten Sonntag in die Kirche kommen würde. Die Gemeinde kam in großer Zahl, um ihn zu sehen. Jedermann erwartete, dass er predigen würde. Jeder bot ihm Gastfreundschaft für die Nacht an, besonders der Priester, aber er lehnte höflich ab. Er sagte, er wolle die Nacht in der Kirche verbringen.

Am nächsten Morgen schlich er sich früh davon, noch ehe die Kirchentore geöffnet wurden. Und zu ihrem Entsetzen entdeckten die Priester und die Gläubigen, dass ihre Kirche mutwillig beschädigt worden war. Überall an den Wänden stand: Gebt Acht! Kein Teil der Kirche war verschont geblieben, Türen und Fenster, die Säulen, die Kanzel, der Altar, nicht einmal die Bibel auf dem Pult. Gebt Acht! In großen oder kleinen Buchstaben war es eingekratzt mit Bleistift, Feder, in jeder nur denkbaren Farbe hingemalt. Wohin das Auge blickte, sah man die Worte: Gebt Acht, gebt Acht, gebt Acht, gebt Acht!

Erschreckend, aufreizend, verwirrend, faszinierend, furchterregend. Worauf sollten sie Acht geben? Das stand nicht da. Es hieß nur: Gebt Acht!

In einer ersten Regung wollten die Leute jede Spur dieser Schmiererei, dieses Sakrilegs, wegwischen. Nur der Gedanke, dass Jesus selbst es getan hatte, hielt sie davon ab.

Nun begann dieses geheimnisvolle Wort „Acht geben“ in das Innere der Menschen einzusinken, wenn sie die Kirche betraten.

  • Sie begannen achtzugeben, dass Wege gemeinsam gesucht wurden; und das Antworten schnell und dialogbereit gegeben wurden.
  • Es wurde darauf geachtet, dass meine Grenzen und die Grenzen der anderen geachtet werden.
  • Eine Verwaltungsgerichtsbarkeit achtete auf Recht und noch mehr auf Gerechtigkeit in der Kirche.
  • Es wurde darauf geachtet, das Leitung durch Qualifikation und Befähigung verliehen wurde und nicht durch Weihe.
  • Und es wurde die Liebe zwischen zwei Menschen geachtet und gesegnet.
  • Und alle achteten darauf, dass sie ihre Macht so zu nutzten, das Machtgefälle zu anderen ausgeglichen wurde.
  • Jeder und jede achteten darauf, ob ihre Beweggründe für ihr Handeln vor Gott bestehen konnten.
  • Und alle gaben Acht darauf, dass nirgendwo nicht Acht gegeben wurde.
  • Und es wurde auf die Spuren Gottes auch und gerade außerhalb der der Kirche geachtet.

Nun haben sie das aufrüttelnde Wort über den Eingang ihrer Kirche geschrieben, und wenn man in der Nacht vorbeifährt, kann man es in mehrfarbigem Neonlicht über der Kirche leuchten sehen.

Inspiriert durch eine Geschichte von Anthony de Mello

Sicher ist noch auf viel mehr zu achten: die Sorgen der Menschen, den Opfern von Rassismus, auf die Flüchtlinge und Armen……

Wenn Sie mögen, schreiben Sie Ihre Vision, wie sich unsere Kirche entwickeln soll, in der Kommentarfunktion https://www.mariaehimmelfahrt-ffm.de/unser-kirchentagebuch/

Eine Bitte:
Nicht alle unsere Gemeindemitglieder haben die Möglichkeit, unser Tagebuch online zu verfolgen. Falls Sie jemanden kennen, der nicht im Internet ist: Drucken Sie den Text aus und bringen sie ihn (vielleicht bei einem Spaziergang?) vorbei.
Vielen Dank!