Nach nur kurzer Vorbereitungszeit starteten wir am Sonntag, dem 26. April 2020 von 11:00 – 13:00 Uhr unser Projekt „Essen für Personen, die ansonsten schwer zu einer warmen Mahlzeit kommen“ Hier nun die Zusammenfassung von Pfarrer Rolf Glaser:
Hallo, Ihr Lieben bzw. Ehrenwerten,
ein kleiner Erfahrungsbericht: Spontan – durch die Initiative eines Restaurantbesitzers, bei dem ich am Mittwoch beim „take-away“ war – (und der seine Namen nicht genannt haben will, den aber viele von Euch/Ihnen gut kennen), haben wir am Sonntag ein Experiment gewagt: Er wollte unbedingt am Sonntag für Bedürftige kochen (Lasagne) und hatte uns vorher schon mehrfach angesprochen. Unser Problem war, wie wir diese Botschaft in der Kürze der Zeit an die entsprechende Klientel bringen (da diese ja zumeist kein Internet haben und so auch keine Homepage lesen) und wie wir das Ganze organisieren. Die Vorlaufzeit zur Bewerbung war natürlich denkbar kurz. Die Ankündigung erfolgte über Plakate am Gartenzaun und in den Aushängen der Kirchen in Nied-Griesheim-Gallus. Alle Beteiligten waren sich klar darüber, dass das Ganze ein „Flop“ werden könnte und sind dieses Risiko bewusst eingegangen.
Vor dem Josefshaus in Griesheim hatten wir mit Biertischen eine breite Theke a ufgebaut (Abstand!) und auf dieser mit Plexiglasplatten eine Sichtschutz angebracht – mit einer kleine Durchreiche. Vor der „Theke“ gab es Abstandsmarkierungen (2m) und es gab per Hinweisschilder ein Wegesystem (auf der eine Seite der Kirche zum Josefshaus hin Zugang, auf der anderen Ausgang – durch verschiedene Tore, das direkte Tor am Josefhaus selbst hatten wir verschlossen).
Zusätzlich hatten wir einen Ordnerdienst (Klaus Dieter Then, Rolf Müller, Ralf Albensoeder und ich – Werner Pfeifer wäre bei Bedarf noch dazu gestoßen). – Der Erfolg war zunächst ernüchternd. An die Theke kamen ganze drei Personen. Dann aber gab es um 12.10 Uhr den Vorschlag, die Essensbeutel an den „Gabenzaun“ zu hängen. Damit hatte ich zunächst Probleme, da an den Gabenzaun eigentlich keine verderblichen Lebensmittel sollten. Ich ließ mich aber durch das Argument überzeugen, dass die Beutel nur so lange hängen sollten, wie wir selbst anwesend sind (also für die Dauer der Essenausgabe). Und dies war ein voller Erfolg: Der Zaun war in kürzester Zeit ( bis 13.00 Uhr) leergefegt. Insgesamt wurden 30 Essen ausgegeben.
Aufgrund dieser Erfahrung wollen wir die Aktion am nächsten Sonntag wiederholen.
Das zeigt, dass die Hemmschwelle an den Zaun zu gehen, wesentlich geringer war, als das Essen bei uns in „geschützter Umgebung“ direkt abzuholen. – Die Idee mit dem „Gabenzaun“ war die Initiative einer Familie unserer Gemeinde und ich hatte dieser im Sinne eines Experimentes zugestimmt. – Natürlich kenne ich die Bedenken gegen Gabenzäune! In der Stadtmitte, wo es – auch in Corina-Zeiten – die eine oder andere Anlaufstelle gibt, hielte ich diese auch nicht für sinnvoll. In einem Stadtteil wie Griesheim und im Blick auf dessen bedürftige Bewohner/innen aber schon! Da hilft die reine Lehre nicht viel (z. B. Gutscheine auszugeben, wenn die Pfarrbüros geschlossen sein müssen! Oder Spenden an Einrichtungen zu geben, die es nur in der Stadtmitte gibt. Nebenbei: auch mit einem Gutschein muss sich der /die Betreffende an der Kasse des Supermarktes „outen“). – Mit der „reinen Lehre“ haben wir in Theologie und Kirche ja ohnehin nicht immer gute Erfahrungen gemacht! Die Erfahrung mit dem „Gabenzaun“ ist generell die: Es werden nur haltbare Lebensmittel hingehängt. Es werden häufig Beutel hingehängt, diese sind aber noch schneller wieder verschwunden als sie gebracht werden. Die Beutel hängen also nicht zu lange und es hat bisher rund um die Kirche auch kein Problem mit Vermüllung ergeben. Die Beutel werden auch nicht aufgerissen, sondern komplett mitgenommen. Der Zaun wird von uns mehrfach am Tag kontrolliert. Wir haben natürlich keine Information darüber, wer die Menschen sind, die sich die Beutel holen (und wollen diese auch nicht haben). Wir hatten die Aktion „Gabenzaun“ übrigens vorher mit dem Ordnungsamt abgesprochen. Es wurde eine Duldung ausgesprochen (O-Ton: „wir sind bei so etwas in Augenblick sehr großzügig“; wobei der Zaun ja im Eigentum der Kirchengemeinde ist).
Viele Grüße
Rolf Glaser