Am Samstag, dem 9. März 2019 hörten wir in St. Hedwig die erste Fastenpredigt in diesem Jahr. Predigerin war Frau Pia Arnold-Rammé , Referentin für Sozialpastoral, Stadtkirche Frankfurt. Das übergeordnete Thema lautete: die Kardinaltugenden, als da sind Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß und – dieses Jahr nicht weiter betrachtet – Klugheit. Frau Arnold-Rammé behandelte in ihrer Predigt die Gerechtigkeit. Dachte man vielleicht im ersten Moment, dass dies ein doch recht einfaches Thema sei, so wurde man im Laufe der Predigt schnell eines Besseren belehrt.
Zunächst jedoch begrüßte Frau A. Polten die Predigerin, die keine Fremde für uns ist, da sie hier im Stadtteil aufwuchs.
Schon der Einstieg mit der Geschichte von den 3 Kindern und der Flöte machte deutlich, dass es doch nicht so einfach ist, Gerechtigkeit walten zu lassen. Hier zunächst die kleine Genschichte:
3 Kinder möchten eine Flöte haben.
- Kind 1 kann als Einzige Flöte spielen
- Kind 2 ist arm und hat kein Spielzeug
- Kind 3 hat die Flöte selbst gemacht
Wer soll jetzt die Flöte bekommen? Alle drei haben dafür gute Argumente. Ein schwieriger Fall. – Ihre nun folgende Predigt gliederte Frau Arnold-Rammé in drei Unterpunkte:
- Was sagt die Bibel über Gerechtigkeit
- Erfahrungen aus ihrer Zeit als Gefängnisseelsorgerin
- Was sagt unsere Kirche zur Gerechtigkeit
Grundlage für den Punkt 1 ihrer Ausführungen war ein Ausschnitt aus dem Matthaeus- Evangelium:
Darin geht es um einen Gutsbesitzer, der morgens, mittags, nachmittags und abends nach Arbeitern für seinen Weinberg sucht. Mit jedem vereinbart er einen Denar für den Tag. Am Ende des Tages erhalten also alle den gleichen Lohn. Dies führt bei denen, die schon früh gekommen waren zu einem Gefühl von Ungerechtigkeit, da sie ja länger gearbeitet hatten als die , die später kamen. Der Gutsbesitzer argumentierte damit, dass der Lohn vorher vereinbart gewesen war. – 1 Denar war das Geld, das eine Familie benötigte, um sich einen Tag ernähren zu können.
Gottes Gerechtigkeit unterscheidet sich von der menschlichen Gerechtigkeit, denn sie sieht den Menschen und das was er für sein Leben braucht.
Punkt 2 befasste sich mit ihren Erfahrungen in der Gefängnisseelsorge. Auch hier ist zunächst ganz klar, dass es Gesetzte gibt und nach denen geurteilt wird. Aber schon bei etwas näherem Hinsehen, stellt man fest, dass es so einfach dann doch nicht ist: wer reich ist, kann sich einen guten Anwalt leisten. Wer prominent ist, wird besser beurteilt und erhält leichter die möglichen Hilfen, als solche, die am unteren Ende der Gesellschaft angesiedelt sind. Gerechtigkeit ist also nicht so einfach zu definieren, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Punkt 3 ihrer Betrachtungen setzte sich mit den Problemen innerhalb unserer Kirche auseinander. Hierzu zitierte sie aus dem Hirtenwort unseres Bischofs Dr. Georg Bätzings:
… Es ist wichtig, dass hinter den Verbrechen sexualisierter Gewalt der Missbrauch geistlicher Macht als eigentliche Ursache benannt worden ist. Und es ist wahrhaftig, das beschämende Handeln von Kirchenverantwortlichen in früheren Jahren zu benennen. Anstatt den Opfern Gehör zu schenken und ihnen Hilfe anzubieten, sind Täter gedeckt und ist Missbrauch verharmlost und vertuscht worden, um angeblich Schaden von der Kirche abzuwenden. Je öfter ich mit Betroffenen spreche oder ihre Zeugnisse lese, umso mehr wachsen meine Abscheu und Wut. Ich frage mich: Wie konnte es geschehen, dass in der Kirche, die den besonderen Auftrag hat, Jesus Christus als den Gekreuzigten zu bezeugen, nicht die Opfer mit ihrem Leid gesehen wurden, sondern vor allem versucht wurde, die Institution zu schützen? …
Wo blieb hier die Gerechtigkeit der Betroffenen? Eine einfache Lösung des Problems ist scheinbar nicht möglich. Wie könnte dann aber das Ergebnis aussehen, das alle Beteiligten zufrieden stellt, also einen Kompromiss darstellt? Wichtig, so Frau Pia Arnold-Rammé, ist es mit allen Beteiligten zu reden, ihre Argumente abzuwiegen und dann zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen, mit dem alle leben können. Gerechtigkeit ist keine gut-böse Entscheidung, sondern ein Prozess, der nur gelingen kann, wenn alle Betroffenen darin involviert sind.