Unser Kirchentagebuch 19

 

Der heutige Tagebucheintrag ist von:
Juraj Sabados,
Pfarrer der slowakischen Gemeinde

Montag, 6.4.2020

 

In einer für Jesus sehr schweren Situation ruft er, einsam und verlassen, zum Vater: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ (Mk 15, 34). Dies sind die letzten Worte Jesu.

Gott und alle seine Freunde sind irgendwie weg. Jesus fühlt: ich bin ganz allein in dieser Lage, ratlos, kraftlos, zu schwach um Gottes Wille zu erfüllen.

Ich denke, ganz Ähnliches erleben auch wir immer wieder. Besonders in diesen Tagen. Irgendetwas zwischen Gott ist nah und Gott ist fern.

Heute möchte ich mit Ihnen ein Gebet teilen, das ich gerne bete:

Nah und fern

Manchmal war ich sicher,
dass du mir nah bist,
und oft warst du für mich unendlich fern.
Wenn ich meinte,
den sicheren Weg gefunden zu haben,
um deine Nähe zu spüren,
dann warst du wie weggeblasen
aus meinem Leben.
Wenn ich meinte,
allein stark zu sein,
entfernte ich mich immer weiter von dir.
Aber wenn ich verzweifelt war,
dann spürte ich deine Nähe
und deinen lebendigen Atem.

Jetzt stehe ich vor dir,
allein in meiner Not und meinen Schmerzen,
unfähig, den Weg zu dir zu gehen
oder Mut und Stärke zu beweisen.
Ich stehe vor dir, verzweifelt –
Und deiner Liebe gewiss.

(Aus dem Buch: „Dir neu begegnen“ von Rainer Haak)

Trotz allem vertraut Jesus seinem Vater: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46).

Nah oder fern – egal. Ich möchte so weiter gehen. Immer im Vertrauen darauf: Gott weiß!

Eine Bitte:
Nicht alle unsere Gemeindemitglieder haben die Möglichkeit, unser Tagebuch online zu verfolgen. Falls Sie jemanden kennen, der nicht im Internet ist: Drucken Sie den Text aus und bringen sie ihn (vielleicht bei einem Spaziergang?) vorbei.
Vielen Dank!

3 Gedanken zu „Unser Kirchentagebuch 19

  1. Lieber Juraj Sabados,

    vielen Dank für das Teilen dieses schönen Gebetes.

    Ja, lasst uns weiter gehen, beten und auf Gott vertrauen.

    Bei den Online-Exerzitien des Bistums Augsburg habe ich heute ein sehr bewegendes Zitat des italienischen Krankenhausarztes Julian Urban gehört. Er war bisher Atheist und hat durch das Zeugnis eines Priesters zum Glauben und zu Gott zurückgefunden.

    Torsten Rothacker
    ———————-

    Zitat von Julian Urban:
    „Niemals in meinen dunkelsten Alpträumen habe ich mir vorgestellt, dass ich sehen und erleben könnte, was hier in unserem Krankenhaus seit drei Wochen geschieht. Der Alptraum fließt, der Fluss wird immer größer und größer. Am Anfang kamen einige von ihnen, dann Dutzende und dann Hunderte, und jetzt sind wir keine Ärzte mehr, sondern wir sind zu Sortierern auf dem Band geworden, und wir entscheiden, wer leben und wer zum Sterben nach Hause geschickt werden soll, obwohl all diese Menschen ihr ganzes Leben lang italienische Steuern gezahlt haben.

    Bis vor zwei Wochen waren meine Kollegen und ich Atheisten; das war normal, weil wir Ärzte sind und gelernt haben, dass die Wissenschaft die Gegenwart Gottes ausschließt.
    Ich habe immer über den Kirchgang meiner Eltern gelacht. Vor neun Tagen kam ein 75 Jahre alter Priester zu uns; er war ein freundlicher Mann, er hatte ernsthafte Atembeschwerden, aber er hatte eine Bibel bei sich, und wir waren beeindruckt, dass er sie den Sterbenden vorlas und ihre Hände hielt. Wir waren alle müde, entmutigt, psychisch und physisch erschöpft, als wir Zeit hatten, ihm zuzuhören.

    Jetzt müssen wir zugeben: Wir als Menschen sind an unsere Grenzen gestoßen, mehr können wir nicht tun, und jeden Tag sterben mehr und mehr Menschen.
    Und wir sind erschöpft, wir haben zwei Kollegen, die gestorben sind, und andere sind infiziert worden.
    Wir haben erkannt, dass dort, wo das, was der Mensch tun kann, endet, wir Gott brauchen; und wir haben begonnen, Ihn um Hilfe zu bitten, wenn wir ein paar Minuten Zeit haben; wir reden miteinander, und wir können nicht glauben, dass wir als wilde Atheisten jetzt jeden Tag auf der Suche nach unserem Frieden sind und den Herrn bitten, uns beim Widerstand zu helfen, damit wir uns um die Kranken kümmern können.

    Gestern starb der 75-jährige Priester, der bis heute, obwohl wir hier in drei Wochen mehr als 120 Tote hatten und wir alle erschöpft, zerstört waren, es geschafft hatte, uns trotz seines Zustands und unserer Schwierigkeiten einen FRIEDEN zu bringen, den wir nicht mehr zu finden hofften.
    Der Priester ist gestorben und ist nun beim HERRN; und bald werden auch wir ihm folgen, wenn es so weitergeht.

    Ich war seit 6 Tagen nicht mehr zu Hause, ich weiß nicht, wann ich zuletzt gegessen habe, und mir wird meine Nutzlosigkeit auf dieser Erde bewusst, und ich möchte meinen letzten Atemzug der Hilfe für andere widmen. Ich bin glücklich, zu Gott zurückgekehrt zu sein, während ich vom Leiden und Tod meiner Mitmenschen umgeben bin.
    HÖRT BITTE NICHT AUF ZU BETEN! UNSER GEBET BEWEGT DEN ARM DES ALLMÄCHTIGEN GOTTES!“

    1. Lieber Herr Rothacker,

      was für ein schönes Glaubenszeugnis! Herzlichen Dank dafür!

  2. Lieber Juraj,

    danke für das Gebet, das ich mit meiner betagten Mutter beten werde. ich glaube, dass es ihr gut tun wird, weil es vieles anspricht, was sie und viele im Moment bewegt.

Kommentare sind geschlossen.