Das Wochenwort 54

Gestern wurde dem Publizisten Wolfgang Kessler der „Walter Dirks Preis 2021“ verliehen, der im Gedenken an Walter Dirks gestiftet wurde.

 

Das heutige Wochenwort kommt von:
Pfarrer Rolf Glaser

 

Sonntag, 20. Juni 2021

 

 

Walter Dirks wurde 1901 in Hörde Westfalen geboren. Er war Publizist und von 1924-34 Kulturschriftleiter der von Friedrich Dessauer herausgegebenen linkskatholischen „Rhein-Mainischen Volkszeitung“. Von 1935-45 arbeitete er für das Feuilleton der „Frankfurter Zeitung“ und gründete 1946 mit Eugen Kogon (Hauptwerk „der SS-Staat“) die „Frankfurter Hefte“. Von 1956-67 war er Leiter der Hauptabteilung Kultur beim WDR. Dirks war Mitbegründer des „Hauses der Volksarbeit“ hier in Frankfurt. Bis ins hohe Alter engagierte er sich in zahlreichen sozialen und kirchlichen Fragen, so auch als Friedensaktivist. Walter Dirks starb am 30. Mai 1991 in Wittnau.

Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Die Leuchte des Leibes ist das Auge. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Leib hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muss dann die Finsternis sein! Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

  

Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon dienen!

Predigt zur Verleihung des Walter-Dirks-Preises am 16. 06. 2021

„Ganz schön naiv dieser Jesus oder nicht? Ist er nicht den alten Weisheitslehrern auf den Leim gegangen, mit ihrer Kritik am Geld, am Vermögen am Besitz? „Keine Schätze hier, besser einen Schatz im Himmel!“ Und ist dies nicht eine falsche Alternative: „Gott oder der Mammon“? Was hat er da seiner Kirche für ein Erbe hinterlassen, die seitdem falsch orientiert ist und vom einen Straßengraben in den anderen fällt, vom Zinsverbot auf der einen Seite bis zum Skandal um die Banca Ambrosiana und Erzbischof Marcinkus oder auch den jüngsten Finanzskandal um den Peterspfennig im Vatikan auf der anderen Seite? Kirche auf Schlingerkurs zwischen weltfremdem Rigorismus und dilettantischem Pragmatismus.

Und wirkt das Ganze heute nicht ohnehin wie aus der Zeit gefallen? Eigentum ist doch ein Grundrecht oder nicht? Was soll da der Gegensatz zwischen den Schätzen auf Erden und denen im Himmel? Ist es nicht zuerst die Aufgabe der Menschen ihr Leben auf Erden zu organisieren, indem sie die Mittel dazu sicherstellen, anstatt ausschließlich ihr Jenseits zu organisieren? Wie schreibt Heinrich Heine im „Wintermärchen“: „Den Himmel überlassen wir dann den Engeln und den Spatzen““

Wer so fragt, denkt allerdings wenig dialektisch!

Das Himmelreich, von dem Jesus spricht, hat zwar im Jenseits seinen Fluchtpunkt, insofern es seine endgültige Gestalt hier auf Erden nie erreichen wird; es fängt aber sehr wohl hier auf Erden, hier im Diesseits, an! Als Reich des Friedens und der Gerechtigkeit! Als Reich der Liebe! Und offensichtlich gibt es zwischen diesem „Reich der Himmel“, wie es Matthäus nennt und dem Mammon, zwischen den Schätzen auf Erden und den Schätzen im Himmel, eine unaufhebbare Spannung, ja etwas Unversöhnliches.

„Nun“, wird der Einsichtige sagen, „es gibt natürlich die menschliche Schwäche, es gibt den Geiz und den Betrug als menschliche Fehlleistungen, als Laster. Wirecard! Es gibt den Fetischcharakter des Mammons, dem der Besitzer verfällt, so dass der Mammon am Ende seinen Besitzer besitzt. Der Besitz besitzt den Besitzer! Da ist etwas Wahres dran! Davor muss gewarnt werden. Dagegen müssen Vorkehrungen getroffen werden! Nicht noch einmal „wirecard!“- So wird jedoch das Problem auf menschliche Fehleistungen und kriminelle Energie reduziert, denen es freilich durch Gesetze und effizientere Kontrolle zu begegnen gilt!

Der Gegensatz ist aber umfassender! Er ist ein systemischer Gegensatz, der nicht auf individuelles Handeln reduziert werden kann! Papst Franziskus hat es in „Evangelii gaudium“ provokativ auf den Punkt gebracht: „Diese Wirtschaft tötet!“ (EG 53). Dafür ist er von konservativen Publizisten und Ökonomen hart gescholten worden. Dabei hat er, nach meiner Überzeugung, kein Verdikt über die Marktwirtschaft an sich gesprochen, vielmehr die Frage der Marktmacht und der entfesselten Märkte aufgeworfen – mit deren fatalen Folgen, die er aufzeigt und die nicht von der Hand zu weisen sind. Der Papst fast sie unter dem Stichwort „System der Ausschließung“ zusammen. Und in seiner Enzyklika „Laudato si“ zeigt er ebenso die Folgen für die bedrohte Schöpfung auf. Hier zeigt sich, was der Mammon anrichten kann!

Eigentum ein Grundrecht? Das Grundgesetz sagt: „Eigentum verpflichtet!“ Und der Papst sagt dazu in seiner Enzyklika „fratelli tutti“: „In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass die christliche Tradition das Recht auf Privatbesitz niemals als absolut und unveräußerlich anerkannt und die soziale Funktion jeder Form von Privatbesitz betont hat.  Und auf Johannes Paul II. verweisend fährt er fort: „Das Prinzip der gemeinsamen Nutznießung der für alle geschaffenen Güter ist das Grundprinzip der ganzen sozialethischen Ordnung. Dabei würdigt er durchaus das Unternehmertum: „Die Unternehmertätigkeit ist in der Tat eine edle Berufung, die darauf ausgerichtet ist, Wohlstand zu erzeugen und die Welt für alle zu verbessern.“

So gesehen kommt es also auf die Kunst an, „den Kapitalismus zu verändern.“ Als Leitbild dient dem Papst übrigens dabei die Erzählung vom Barmherzigen Samariter, die die Konturen eine Kultur der Liebe aufzeigt, die sich davon leiten lässt, dem Anderen ein Nächster zu werden. Damit ist er Walter Dirks sehr nahe, den dieser Text ebenso ein Leben lang beschäftigt hat und der fragt: „Was ist die Hilfe wert, wenn nicht zugleich auch die Ursache der Gefahr, die Ursache der Not, beseitigt wird? Was wird getan, um den Weg sicher zu machen vor künftiger Räuberei?

Und denken wir die Menschen die heute unter die Räuber fallen. Wir müssen die Linien des Gleichnisses ausziehen, wenn Hilfe keine bloße Idylle bleiben soll.“

Das zu tun, ist die Kunst! Und damit schließt sich der Kreis! Amen!

Rolf Glaser