Unser Kirchentagebuch 12

Warten

 

Der heutige Tagebucheintrag ist von:

Pastoralreferent Rolf Müller

Montag, 30. März 2020

 

Schon seit über einer Woche läuft dieser „Shut – Down“ nun, und ich bin am Warten. Ich warte darauf, dass aus dem Kindergarten neben unserem Pfarrbüro wieder laute Kinderstimmen bis ins Pfarrhaus dringen. Ich warte auf den Moment, in dem ich endlich wieder mit vielen vertrauten Gesichtern neben mir auf meinem Stammplatz sonntags in unserer Pfarrkirche sitze. Ich warte auf das viele Erzählen nach dem Gottesdienst vor der Kirchentür und auf den Frühschoppen im Josefshaus. Ich warte auf ein ganz normales Dienstgespräch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, ich warte auf den ersten Handschlag mit Leuten auf der Straße, auf das erste große Fest mit voller Bude, guter Musik und toller Stimmung.

Oft frage ich mich, wie lange ich da noch warten muss. Ich gebe zu: Warten fällt mir schwer. Ich gehöre eher zu den Ungeduldigen, die es oft genug nicht abwarten können und denen es manchmal nicht schnell genug geht. Dabei weiß ich ja von viele Menschen, die das mit dem Warten ganz gut bewältigt haben. Gerade in der Bibel begegne ich welchen: Die Israeliten, die vierzig Jahre in der Wüste auf das gelobte Land warten mussten. Der greise Simeon, der sein ganzes Leben lang auf den einen Moment gewartet hat, an dem er das Jesuskind sehen durfte. Warten, das kann ich davon lernen, gelingt, wenn ich die Zuversicht nicht verliere. Wenn ich weiß: Hinter dem Horizont geht’s weiter; am Ende wird es gut – dann kann ich auch das Warten bewältigen. Und sind nicht all die Geschichten der Heiligen Schrift eine Botschaft des „Am Ende wird alles gut“? Trotz allem Leid, trotz aller Trauer, die in diesen Geschichten ihren Platz haben? .In diesem Sinne heißt warten für mich: Geduldig sein und das mit ganzem Herzen tun, was gerade geht.

In diesem Geist will ich die Zeit jetzt nutzen, um das Warten zu trainieren. Und ich hoffe sehr, dass ich dabei nicht zu ungeduldig bin, schlechte Laune bekomme oder hoffnungslos werde. Ich will das tun, was gerade möglich ist: Helfen, wo es nötig ist, Kontakte mit denen pflegen, die gerade jetzt sehr allein sind. Ich will die Zuversicht nicht verlieren – dabei helfen mir so viele geistliche Impulse, die ich in dieser Zeit geschenkt bekomme, so viele Gebete (wie zum Beispiel das vom Heiligen Vater letzten Freitag in Rom), so viele gute Gespräche, die ich gerade jetzt habe. Und vielleicht kann ich ja selbst ein wenig dazu beitragen, damit andere die Zuversicht nicht verlieren und das Warten gelingt.

Rolf Müller, Pastoralreferent

Eine Bitte:

Nicht alle unsere Gemeindemitglieder haben die Möglichkeit, unser Tagebuch online zu verfolgen. Falls Sie jemanden kennen, der nicht im Internet ist: Drucken Sie den Text aus und bringen sie ihn (vielleicht bei einem Spaziergang?) vorbei.

Vielen Dank!

6 Gedanken zu „Unser Kirchentagebuch 12

  1. Zuversicht, das wünsche ich auch allen! Diese guten und schönen Worte am Beginn
    der neuen Woche können uns alle stärken und Kraft geben für das gemeinsame Warten.
    Danke lieber Rolf !
    Moni

  2. Es wird im Moment viel darüber nachgedacht, wie wir nach der Krise leben werden und leben wollen. Viele meinen, es wird sich nichts ändern.

    Obwohl auch ich sonst eher dazu neige, in dieser Hinsicht pessimistisch zu sein, wünsche ich uns allen doch die Zuversicht, dass es uns gelingt, viele der positiven Lernerfahrungen, die wir in der Krise auch machen, hinüber zu retten in die Zeit „danach“.

    Barbara

  3. Liebe Rolf, du hast sehr schön zusammen gefasst wofür ich warhscheinlich 1000 Worte gebraucht hätte und hast mir von der Seele gesprochen. Danke dafür. Es tut so gut, das wir unseres Kirchentagebuch haben.

    1. Lieber Rolf,
      auch mir gefallen Deine Gedanken, warten können und auf einen
      guten Ausgang hoffen!
      Manchmal muss ich mich zwicken, ob alles nicht ein böser
      Traum ist. Ja, nun ist es genug, denke ich, es könnte wieder normal
      weiter gehen. Dabei helfen mir die Bilder der Bibel sich in Geduld
      zu üben!
      Danke für die wunderbaren und guten Gedanken in diesem Tagebuch.
      Maria

  4. Zunächst möchte ich mich für das großartige Geschenk des Kirchentagebuches bedanken.
    Zum heutigen Text sind mir einige Gedanken gekommen.
    Ich nehme z.B. gerne Worte auseinander. So ist mir aufgefallen, dass in dem Wort „warten“, dass Wort „war“ enthalten ist. Also eine Zeit die „war“, die unwiederbringlich vorbei ist.
    In diese plötzlichen Leere, die nicht nur uns, sondern die ganze Welt betrifft, bietet sich die Chance umzudenken und etwas neues entstehen zu lassen.
    Eine Neuschöpfung, eine Wandlung die wir nicht nur der Weltpolitik überlassen brauchen, sondern alle für sich nachvollziehen können.
    Meine Oma sagte immer: „Gut Ding will Weile haben.“
    Gönnen wir uns diese einmalige Weile und sehen wir sie als Geschenk, denn nichts auf dieser Welt ist umsonst.
    Ich glaube fest daran, dass etwas Gutes daraus entsteht.
    Es grüßt Euch alle herzlich
    Gabriele

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